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Der Beginn des Großen Gesprächs

5. Newsletter: Juli/August 2006


„Hast Du das L?“

Die Geschichte des Internets ist bis auf den heutigen Tag durch einen offenen, kreativen Entwicklungsprozess geprägt. Bereits in den 60er und 70er Jahren wurden die Grundlagen für dieses Netz der Netze gelegt. Ein Meilenstein auf dem Weg zum Internet bildete das 1969 entstandenen ARPANET, ein Projekt der Advanced Research Project Agency (ARPA) des US-Verteidigungsministeriums. Ziel dieses ersten Internet-Projektes war eigentlich, die knappen Rechenkapazitäten von Universitäten und Forschungseinrichtungen zu vernetzen und damit sinnvoll zu nutzen: erst in den USA, später dann auch weltweit. Da die Forschungsabteilung ARPA 1957 mit dem Auftrag, den technologischen und militärischen Vorsprung der UdSSR mit Technologien im Bereich der Kommunikation und Datenübertragung aufzuhalten, gegründet wurde, verbreitete sich rasch die Legende, das Internet sei ein „Kind“ des Kalten Krieges. In Wirklichkeit wurde aber das ARPANET vorwiegend für zivile Projekte genutzt.

Während die ersten Worte, die über das Telefon oder den Fernschreiber geschickt wurden, legendär sind, weiß kaum jemand etwas über die erste Kommunikation im Internet. Diese fand am 29. Oktober 1969 im Rahmen des Arpanet-Projektes zwischen einem Computer der Universität von Kalifornien und einem Rechner am Stanford Research Institute statt. Dabei sollten die Buchstaben LOG (für "Login") übermittelt werden. Parallel dazu sprachen die Techniker übers Telefon. "Hast du das L?" - "Ja!" - "Hast du das O?" - "Ja!" - "Hast du das G?" Dann stürzte der Rechner ab.

Das Internet: offen, frei, weltweit

Das Internet ist mediengeschichtlich eigentlich eine Anomalie. Üblicherweise verlief und verläuft die Entstehung neuer Medien von der Entwicklung in den Labors, über die Anwendung in militärischen und wirtschaftlichen Bereichen hin zum Massenprodukt für den Konsumenten. Beim Internet verlief alles etwas anders - ähnlich wie bei der Freien Software. Schon bei den ersten Versuchen gab es keine Trennung zwischen Erfindern, Entwicklern und Anwendern. So etablierten sich nach und nach neben dem Arpanet weitere Netzwerke wie Telnet, Ethernet oder Usenet. Gleichzeitig wurde von unterschiedlichen Kreisen intensiv die Entwicklung von Transfer Protokollen oder Domain-Lösungen, von Software für Email-Dienste oder Webbrowser vorangetrieben. 1974 taucht zum ersten Mal in einer Publikation von Bob Kahn und Vinton Cerf der Begriff „Internet“ auf, doch es sollte noch rund 10 Jahre dauern, bis sich der Name „Internet“ durchzusetzen beginnt. Die 80er Jahre werden häufig mit der »wilden Phase« des Internet assoziiert und waren gekennzeichnet durch den freien Austausch von Software und Informationen sowie durch die Selbstorganisation von verschiedenen Communities, die jede Beschränkung des Zugangs und des freien Informationsflusses über viele kleine Internets zu umgehen wussten. 1990 wurde das ARPANET abgeschaltet und eine neue bis heute andauernde kommerzielle Phase des Internets eingeläutet.

Durchbruch mit dem World Wide Web

Den endgültigen Durchbruch schaffte das Internet Anfang der 90er Jahre mit der Entwicklung des World Wide Web durch Tim Berners-Lee im CERN bei Genf. Umgangssprachlich wird seitdem der Begriff „World Wide Web“ (dt. WeltWeites NetzWerk) häufig als Synonym für das Internet als Ganzes verwendet. Dabei ist das WWW eigentlich ein über das Internet abrufbares Hypertext-System, basierend auf den Entwicklungen HTML, URL und http, und damit nur einer von vielen möglichen Internetdiensten wie beispielsweise E-Mail. Um das World Wide Web benutzen zu können, benötigt man einen Webbrowser zum Laden von Daten von einem Webserver. Der Benutzer kann den Hyperlinks im Dokument folgen (Surfen), gleichgültig ob diese auf demselben Webserver oder einem anderen gespeichert sind. Dadurch ergibt sich ein weltweites Netz oder Gewebe aus Webseiten. 1993 gibt CERN das World Wide Web für die Öffentlichkeit frei und Studenten und Mitarbeiter der Universität von Illinois bieten den ersten grafikfähigen Webbrowser namens Mosaic zum kostenlosen Downloaden an. Seither wurde das Internet unaufhaltsam zum Massenprodukt und Katalysator der Digitalen Revolution.

Netscape gibt den Mozilla-Browser frei

Bereits 1995 gingen eine Reihe von Internetunternehmen an die Börse: Den spektakulärsten Coup landete das auf der Mosaic-Browser-Technologie errichtete Netscape-Unternehmen mit dem drittgrößten Nasdaq-IPO-Wert aller Zeiten. Ende 1998 kündigte Netscape an, den Quellcode seines neuen Mozilla-Browsers offen zu legen. Netscape versprach sich von diesem Schritt eine Explosion kreativen Inputs in die Quellcodebasis des Webbrowsers, die es erlaubt, seine bis dahin überragende Position unter der Kommunikationssoftware zu erhalten. Obwohl diese Mozilla-Befreiung inzwischen von vielen als gescheitert angesehen wird, löste dieser Schritt vor allem in der Freien Software-Community eine intensive Debatte aus. Diese führte zur Etablierung des Marketing-Begriffes „open source“, der den pragmatischen und wirtschaftlichen Vorteilen von Freier Software gerecht werden sollte. Schließlich sollte Netscapes Entscheidung der Wirtschaftswelt den ultimativen Beweis für die Überlegenheit eines offenen und freien Entwicklungsmodells von Software erbringen.

Der Beginn des Großen Gesprächs

Es gibt aber noch viele andere Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten zwischen der Entwicklung des Internets und Freier Software. Auch das Netz der Netze war von Anfang an frei, offen, verteilt, dezentral und heterogen angelegt. Dem Grundsatz „Information will frei sein“ folgend, erwuchs so nach und nach eine kooperative Community, die das Internet trägt und die gleichzeitig von ihm getragen wird. Offen und frei ist das Internet auch, weil sämtliche Dienste rund um das Internet mit öffentlichen Förderungen entwickelt wurden. Die schlichte Tatsache, dass jeder Teilnehmer Einzelne oder Gruppen beliebiger Größe von anderen Teilnehmern ansprechen kann, führte zu dem, was John Perry Barlow als »das Ende der Rundfunkmedien und den Beginn des Großen Gesprächs« (in: The Great Conversation) bezeichnet hat. Da sich das Internet im Modus der offenen Kooperation und freien Wissensentwicklung durch Tausende auf der ganzen Welt verteilter Individuen weiterentwickelt, ist es auch die essenzielle Bedingung für das Phänomen der Freien Software geworden.

Wie das Internet funktioniert und was es alles kann, verraten wir in der Frage des Monat. Im nächsten Newsletter gehen wir dann der Frage nach, wie sicher man mit Freier Software unterwegs ist.


CoCOS-TIPP:

Internet in Wikipedia

World Wide Web in Wikipedia

Open Source in Wikipedia

Grassmuck: Freie Software