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GNU/Linux in Sicht

6. Newsletter: September 2006


Land in Sicht

Die Zahl und die funktionale Bandbreite Freier Software sind fast unüberschaubar. Ein großer Teil dieser freien Programme hat infrastrukturellen Charakter. Besonders die Bereiche Betriebssysteme, Internet oder Entwicklerwerkzeuge zogen immer schon stark die Aufmerksamkeit der kreativen Entwicklergemeinschaft auf sich. Freie grafische Desktop-Umgebungen, die man ebenfalls als IT-Infrastruktur ansehen kann und die das Arbeiten am Computer für den Normal-User deutlich erleichtern, sind vergleichsweise jung. Deshalb galt die Benutzungsfreundlichkeit von Freier Software auch lange Zeit als ein wunder Punkt. Das lag auch daran, dass Freie Software ursprünglich meist spezialisierte Programme von Technikern für Techniker waren. Mit dem Aufkommen von freien Benutzeroberflächen wie KDE und GNOME ab Mitte der 90er Jahre hat Freie Software hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit jedoch deutlich aufgeholt und braucht den Vergleich mit proprietärer Software nicht mehr zu scheuen.

 
Grafische Benutzeroberflächen werden Standard

Die erste grafische Benutzeroberfläche wurde in den 1970er Jahren am Palo Alto Research Center (PARC) vornehmlich durch Alan Kay entwickelt, der deshalb auch als Architekt der modernen fensterbasierten Bedienoberflächen gilt. 1984 brachte Apple seinen ersten Macintosh gleich mit einer grafischen Benutzeroberfläche auf dem Markt. Dieser Mac war schon auf die Bedienung mit der Maus zugeschnitten und enthielt zu diesem Zeitpunkt revolutionäre Konzepte, wie beispielsweise den Papierkorb, den Schreibtisch, Drag & Drop, das Auswählen von Texten oder Objekten und das Navigieren im Dateisystem mit Hilfe von Symbolen (Icons). Mit den ersten Microsoft Windows Versionen ab Ende der 80er Jahre, die eigentlich nur eine grafische Erweiterung des Betriebssystems MS-DOS waren, wurde die grafische Benutzeroberfläche zum absoluten Standard für PCs und trug wesentlich zur Popularisierung des Computers insgesamt bei. Wenngleich stabil, offen, frei und ausgesprochen leistungsstark, fehlte GNU/Linux anfangs eine moderne grafische Arbeitsumgebung. Das war sicher mit ein Grund, dass diesem freien Betriebssystem zunächst der Weg auf die Schreibtische der normalen PC-Nutzer im Büro und zu Hause verwehrt blieb. Erst ab Mitte der 90er Jahre kümmerte sich die Freie Software-Community um die Bedürfnisse des durchschnittlichen PC-Nutzers und entwickelte die ersten freien grafischen Benutzeroberflächen.

 
GNU/Linux wird sichtbar

Die Standardgrundlage für grafische Benutzeroberflächen in der Welt der Freien Software ist das von Jim Gettys 1984 entwickelte X-Window-System. Mit der Verbreitung von GNU/Linux wuchs der Bedarf nach einer Aufbereitung bzw. Implementation des X Window-Systems für PCs. So kam es zum XFree86 – Projekt. Durch das Zusammengehen von GNU/Linux und XFree86 haben beide stark voneinander profitiert. GNU/Linux ist weitergekommen, weil es mit XFree86 eine grafische Oberfläche gab, und XFree86 hat sich etabliert, weil es mit GNU/Linux eine frei verfügbare Plattform dafür gab. XFree86 hatte aber als Freies Software-Projekt zwei Probleme: das Programm baute auf einen proprietären Toolkit auf und auch der Quellcode der verwendeten Desktopumgebung CDE (Common Desktop Environment) war nicht offen. Jede GNU/Linux-Distribution, die ihren Anwendern diese freie Benutzeroberfläche anbieten wollte, musste also auf nicht freie Bestandteile zurückgreifen und diese Lizenzbedingungen natürlich auch an die GNU/Linux-Nutzer weitergeben. Wo immer aber in der Welt der Freien Software solche Unvereinbarkeiten auftreten, regt sich Widerstand mit dem Ergebnis, dass 1997 das Toolkit Motif durch das freie LessTif abgelöst wurde und als quelloffene Alternative zu CDE das KDE-Projekt entstand.

 
Zwei Fenster in die Freiheit

Das KDE-Projekt wurde im Oktober 1996 von Matthias Ettrich ins Leben gerufen. Weil aber die als Freies Software-Projekt vorgestellte erste KDE-Version 1.0 auf eine zwar umfangreiche, aber proprietäre Klassenbibliothek Qt zurückgriff, hagelte es aus der Freien Software Community Kritik. Allen Kritikern zum Trotz wurde KDE aber von den Usern durchaus positiv aufgenommen und fand seinen Weg in die ersten Linux-Distributionen. In Reaktion darauf wurde aber auch das lange Jahre nur als Idee existierende GNOME-Projekt in Angriff genommen, um eine vollkommen freie grafische Benutzeroberfläche zu schaffen. Dem dadurch entstandenen Konkurrenzdruck und der Überzeugungsarbeit der KDE-Entwickler ist es zu verdanken, dass das Unternehmen Trolltech als Hersteller der Qt-Bibliothek diese schließlich im April 1999 unter einer eigenen Lizenz freistellte. Sowohl KDE wie auch GNOME wurden seither konsequent weiterentwickelt und stetig an die Bedürfnisse der Anwender angepasst. Ihre jeweils aktuellen Versionen verfügen über eine anspruchsvolle und ausgereifte grafische Benutzeroberfläche mit vielen Zusatzprogrammen für den täglichen Gebrauch zu Hause, im Büro oder auch im professionelle Multimedia-Umfeld. Beide zeichnen sich aus durch einfache Bedienung, sparsamen Umgang mit Ressourcen und umfassende Funktionalität und bieten sich als freie grafische Benutzeroberflächen nicht nur für GNU/Linux, sondern auch für alle anderen etablierten Betriebssysteme an.

 

CoCOS-TIPP:

KDE

GNOME

KDE in Wikipedia

GNOME in Wikipedia

Grassmuck: Freie Software