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Freie Datenformate mit Freier Software

8. Newsletter: November 2006


Mehr Standard – Mehr Format

Vor bald 50 Jahren haben eine Handvoll überdimensionale Großrechnern das Computerzeitalter und damit den unaufhaltsamen Siegeszug der Informationstechnologie eingeläutet. Seither nimmt IT einen zentralen Platz in der Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft und Bürokratie ein. Selbst für den Privatbereich ist IT unverzichtbar geworden. Dabei gilt für die Hardware der Grundsatz: kleiner, feiner, schneller, potenter. Bei der Software hingegen scheiden sich seit den 80er Jahren die Geister. Seither verheimlichen die einen die Quellcodes und werden durch den Verkauf von Softwarelizenzen steinreich. Die anderen hingegen schwören auf umfangreiche Nutzungsfreiheiten und die Offenheit des Quellcodes als Garantie für mehr Wissen, mehr Sicherheit, mehr Stabilität und vor allem mehr Freiheit. Spätestens seit dem Aufkommen des Betriebssystems GNU/Linux und dem freien Bürosoftwarepaket OpenOffice.org kommt um Freie Software niemand mehr herum. In den letzten Jahren wurde eine neue Runde in der Auseinandersetzung zwischen proprietärer und Freier Software eingeläutet. Dieses Mal geht es um fast alles: nämlich um die Frage, wie frei, offen dokumentiert, kompatibel und zugänglich haben Daten- und Dateiformate zu sein.

Science Fiction oder ein Alptraum?

Folgende Geschichte macht deutlich, worum es geht: Stell Dir einmal vor, zu deinem 90.sten Geburtstag, sagen wir mal im fernen Jahr 2080, wollen dir deine Enkelkinder eine Freude bereiten und ein Album mit Erinnerungen aus deinem Leben zusammenstellen. Beim Stöbern finden sie auf dem Dachboden einige Relikte aus der IT-Steinzeit: uralte Floppy-Disketten und einen Pakt verstaubter CDs mit virtuell gespeicherten Lebenserinnerungen wie Kindheitsbilder, Abrechnungen der Haushaltskasse, die Diplomarbeit, die Dokumentation zum Hausbau, Hochzeitsbilder, das Firmenarchiv, die Liebes-Emails an deine Frau. Beim Einlesen der Datenträger kommt es jedoch zur Meldung: „Das Dateiformat wird nicht erkannt!“ oder „Dateiformat ungültig!“ Vergeblich suchen die Enkel im Internet und im PC-Shop um die Ecke um Hilfe. Die Programme gibt es nicht mehr. Die Quellcodes sind nicht lesbar. Der Hersteller der Software ist längst nicht mehr auf dem Markt präsent. Science Fiction, Alptraum oder Panikmache? Weder noch! Aber ein Problem, das längst konkret besteht.

Freie Datenformate sind die Lösung!

Die NASA beispielsweise kann bereits ein Lied davon singen, was es heißt, Daten verloren zu geben, weil die eingesetzten Formate nicht offen dokumentiert sind. Es geht aber beileibe nicht nur um die Archivierung von Daten. IT-Systeme sind heutzutage in jedem Unternehmen, jeder staatlichen Bürokratie und auch in vielen privaten Haushalten unverzichtbar. Auf ihnen basiert praktisch die gesamte Organisation unserer Wirtschaft und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dabei sind fast alle Daten weltweit in geschlossenen, so genannten proprietären Datenformaten, deren Quellcodes von den Herstellern geheim gehalten werden, abgefasst und gespeichert. Die Nachteile und Risiken für eine nach freiem Datenfluss strebende Informationsgesellschaft liegen offen auf der Hand. Freie Datenformate und offene Standards sind die Lösung und Freie Software hat auch dieses Mal gute Karten in der Hand. Schließlich zählen freie Formate wie beispielsweise ODF zum Kerngeschäft von Freier Software.

Von Massachusetts bis "eSüdtirol 2004-2008"

Das sehen so auch immer mehr Regierungen weltweit, die Europäische Union und auch die Südtiroler Landesregierung, die sich in ihrem Grundsatzpapier „eSüdtirol 2004-08“ verpflichtet, in den nächsten drei Jahren die Verwendung von offenen Datenformaten in der öffentlichen Verwaltung auszubauen und die Umsetzung dieses Vorhabens durch jährliche Berichte zu dokumentieren. Wie das gehen kann, zeigt das Beispiel Massachusetts. Trotz zahlreicher Widerstände politischer Gruppen und die Einflussnahme großer Softwarekonzerne will man ab 2007 in der öffentlichen Verwaltung dieses Bundesstaates freie Datenformate als Standard verpflichtend einführen. Demnach müssen zukünftig alle offiziellen Akten Bundesverwaltung in einem offenen Dateiformat verfasst und gespeichert werden. Die Richtung ist vorgegeben: Freie Datenformate wie das ODF-Format und andere auf den Grundsätzen Freier Software aufbauende Datenformate werden schrittweise jene offenen Standards sicherstellen, damit jeder in naher und ferner Zukunft problemlos in den irgendwann und irgendwie abgespeicherten Lebenserinnerungen surfen kann.

 

CoCOS-TIPP:

Datenformate in Wikipedia

Dateiformate in Wikipedia

ODF in Wikipedia

ODF-Converter auf SourceForge

Beispiel Massachusetts

SFSCon 2006

Grassmuck: Freie Software